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Griechisch im Saarland: Protokoll des Gespräches mit Kultusminister Commerçon

Landtag-Saarland-Griechisch-2015

Am 22. April 2016 fand ein Gesprächstermin des DAV Saarland mit dem Kultusminister Ulrich Commerçon statt. Auf der Agenda standen u.a. folgende Themen: Reaktivierung des Faches Griechisch im Saarland, altsprachliche Fachaufsicht und Schirmherrschaft über den kommenden DAV-Bundeskongress 2018 in Saarbrücken.

Das vollständige Gesprächsprotokoll finden Sie hier:

Auf Seiten des Ministeriums für Bildung und Kultur nahmen teil:

  • Herr Ulrich Commerçon, Kultusminister des Saarlandes,
  • Herr LMR Bernhard Bone, Leiter der Abteilung ‚Allgemein bildende Schulen‘,
  • Herr Sven Feß, Persönlicher Referent des Ministers.   

     Auf Seiten des Deutschen Altphilologenverbandes (DAV) nahmen teil:

  • Christiane Siewert, 1. Vorsitzende des DAV Saar,
  • Herr Prof. Dr. Christoph Kugelmeier, 2. Vorsitzender des DAV Saar,
  • Frau Sarah Catrein-Träm, Griechischlehrerin und Fachleiterin Latein am Ludwigsgymnasium Saarbrücken,
  • Herr Dr. Helmut Meißner, Vorsitzender des Griechisch-Ausschusses des DAV.

     Zeit: 22. April 2016, 13:30 bis etwa 14:40 Uhr

     Ort: Ministerium für Bildung und Kultur

1. Vorbemerkungen

Am Beginn des Gespräches machte Herr Minister Commerçon deutlich, dass er von dem hohen Bildungswert des Faches Griechisch und überhaupt der alten Sprachen überzeugt sei. Zu den wichtigen Fähigkeiten der Lehrkräfte gehöre es freilich auch, die Schüler für Griechisch zu begeistern.

Die Vertreter des DAV gaben ihrer Freude darüber Ausdruck, in Herrn Minister Commerçon endlich einen Spitzenpolitiker zum Gesprächspartner zu haben, der selbst Altgriechisch gelernt habe und dem man die Eigenart dieses Schulfaches deshalb nicht erst erklären müsse. Andererseits, so die DAV-Vertreter, sei man sich wohl dessen bewusst, dass ein Kultusminister nicht nur das Interesse einzelner Fächer, sondern die Belange des größeren Ganzen berücksichtigen müsse.  

Der Minister bestätigte, dass er als Schüler zusammen mit 15 Mitschülern einen Griechisch-Leistungskurs absolviert und dass keiner von ihnen die Teilnahme bereut habe.

Heute freilich, so der Minister, seien die Erwartungen, auch auf Elternseite, häufig stärker auf die unmittelbare Verwertbarkeit der Schulfächer gerichtet. Die DAV-Seite stimmte zu und leitete daraus die Notwendigkeit ab, bei der Überzeugungsarbeit diese Entwicklung besonders zu berücksichtigen. 

2. Gesamtzielsetzung

Die DAV-Vertreter betrachten es als wichtigen Grundsatz, dass Schüler die Möglichkeit haben müssen, überall in zumutbarer Entfernung von ihrem Wohnort einen ihrer Klassenstufe entsprechenden Altgriechischunterricht zu erhalten, der sie zur Originallektüre der bedeutendsten griechischen Literatur führt und ihnen die Chance gibt, sich mit den Grundlagen gemeinsamer europäischer Identität auseinanderzusetzen.

3. Einzelziele des Gespräches

3. a) Reaktivierung des Faches Griechisch im Saarland

Die DAV-Vertreter erklärten zur Frage, warum sie den Minister um dieses Gespräch gebeten haben: Der Hauptgrund sei die Sorge, dass den Schülern des Saarlands die Chance, Altgriechisch zu lernen, unwiederbringlich verloren gehe, wenn die Schulpolitik nicht helfend eingreife. Denn soeben sei am letzten verbliebenen humanistischen Gymnasium des Saarlands, am Saarlouiser Gymnasium am Stadtgarten, Altgriechisch von einem regulären Schulfach zu einem AG-Fach herabgestuft worden, ohne dass von mangelndem Schülerinteresse die Rede sein konnte. 

Als erstes Nahziel des Gespräches strebten die DAV-Vertreter deshalb an, die Gesprächspartner des Ministeriums davon zu überzeugen, dass die Reaktivierung des Faches Altgriechisch zumindest an zwei Schulen des Saarlands nicht nur bildungspolitisch sinnvoll, sondern auch kostengünstig sei: Am Saarlouiser Gymnasium am Stadtgarten und am Ludwigsgymnasium Saarbrücken gibt es noch Lehrer mit Altgriechisch-Fakultas und Praxiserfahrung im Altgriechischunterricht. Diese stehen sofort bereit, regulären Altgriechischunterricht ab Klasse 8 zu erteilen.

Angesichts dessen, dass Altgriechisch eher zu den „harten“ Fächern gehört, da sich diese Sprache nicht ohne beträchtliche Mühe erlernen lässt, gab die DAV-Seite zu bedenken, dass, zumindest für eine Übergangsphase, nur mit vergleichsweise kleinen Schülerzahlen zu rechnen sei, für die eine Schule selbst kaum mit ihrem Budget aufkommen könne. Hier seien Sondergenehmigungen durch das Kultusministerium wohl unumgänglich.

Eine Reaktivierung des Faches Altgriechisch sei vermutlich von vornherein zum Scheitern verurteilt, wenn man sie unter den Bedingungen des Budget-Systems betreiben müsse, für das der Wert eines Bildungsangebots sich an der Interessentenzahl bemesse.

Um dem möglichen Einwand zu begegnen, dass anfängliche Sondergenehmigungen für kleine Lerngruppen schließlich zu einer Dauereinrichtung werden könnten, verwies die DAV-Seite auf „harte Zahlen“ aus dem Bundesland Bremen. Dort lagen die Gruppengrößen für Altgriechisch in den letzten Jahren nur vereinzelt bei 14 und weniger, sondern meist darüber, ja zum Teil deutlich über 30.

Diese Argumentation nahm der Kultusminister zurückhaltend auf. Er sagte aber zu, Gespräche zu führen mit dem Ziel einer Reaktivierung des Schulfaches Altgriechisch an den beiden genannten Schulen.

3. b) Altsprachliche Fachaufsicht mit altsprachlicher Fachkompetenz

Das zweite Ziel, das die DAV-Vertreter bei diesem Gespräch zu erreichen suchten, lässt sich in der Formel zusammenfassen: ‚altsprachliche Fachaufsicht mit altsprachlicher Fachkompetenz‘. Wie bereits in Gesprächen mit Landtagsabgeordneten brachten die DAV-Vertreter nun dem Kultusminister gegenüber einen Sachverhalt zur Sprache, der auch den Parlamentariern korrekturbedürftig erschien: Im Kultusministerium gibt es seit vielen Jahren keine Fachaufsicht mit FakultasLatein/Griechisch. Überhaupt sucht man dort vergeblich Ansprechpartner, mit denen man auf fachkundiger Basis Probleme des altsprachlichen Unterrichts besprechen kann.

Herr LMR Bone verwies jedoch auf die Knappheit der Ressourcen und gab zu bedenken, dass auch für andere Fächer, etwa Evangelische Religion, keine entsprechende Fachaufsicht vorhanden sei.

4. Bitte um Schirmherrschaft über den nächsten DAV-Kongress

Freundlich-aufgeschlossen nahm Herr Minister Commerçon die Bitte auf, die Schirmherrschaft über den nächsten DAV-Kongress zu übernehmen. Dieser soll in Saarbrücken stattfinden. Als Zeitpunkt ist die Woche nach Ostern im Jahre 2018 vorgesehen. Dabei wird mit etwa 800 Teilnehmern gerechnet.

Der Minister erinnerte daran, dass die nächsten Landtagswahlen im Saarland noch vor diesem Zeitpunkt liegen werden. Er machte seine Zusage davon abhängig, dass er im Jahre 2018 sein jetziges Amt noch innehat. 

5. Weitere thematisierte Aspekte des Gesamtkonzeptes:

5. a) Zur integrationspädagogischen Bedeutung des Faches Altgriechisch

In den Unterlagen zur Vorbereitung dieses Gespräches hatte bereits die Frage eine Rolle gespielt, inwiefern das Bildungspotential des Faches Altgriechisch gerade heute wertvoll für Schüler und für unsere Gesellschaft insgesamt sein kann. Die DAV-Vertreter griffen einen Aspekt der dortigen Argumentation wieder auf. Sie versuchten darzulegen, dass nach ihrer Ansicht die Aufgaben, die sich den Kultusministerien im Zusammenhang mit der Flüchtlingsproblematik stellen, nur vordergründig im Widerspruch zur Unterstützung des Faches Altgriechisch stehen. Bei näherem Zusehen werde die integrationspädagogische Bedeutung dieses Faches erkennbar: Schüler zur gründlichen Beschäftigung mit den Werken Platons und anderen in dieser Tradition stehenden Schriften anzuleiten – dies habe sich in der europäischen Geschichte bewährt und sei gewiss auch heute diskussionswürdig als Methode einer freiheitlichen Erziehung zu den grundlegenden Werten unserer freiheitlichen Gesellschaft. Als Beispiel dafür wurde das sokratische und christliche Nein zum Rachedenken genannt. 

Der mögliche Einwand, dass es immer nur eine Minderheit und nicht die ganze Gesellschaft sei, die sich mit diesen griechischen Texten beschäftigen könne, sei nur teilweise berechtigt: Denn was ein einzelner Mensch lerne, habe, gerade wenn es um Wertfragen gehe, Bedeutung nicht nur für ihn allein, sondern letztlich auch für die Gesellschaft.  

5. b)    Zur Konkurrenz zwischen Verantwortung des Staates und Selbständigkeit der Schulen

Um möglichen Einwänden gegen die empfohlenen Sondergenehmigungen zu begegnen, griffen die DAV-Vertreter auf eine Argumentation zurück, die ebenfalls schon in den vorbereitenden Materialien eine Rolle gespielt hatte:

Zwar sei unbestritten, dass die Schulen, um selbständige Entscheidungen treffen zu können, die Möglichkeit benötigen, ein eigenes Budget zu bewirtschaften. Andererseits aber spreche allein schon die staatlich verordnete Schulpflicht dafür, dass die staatliche Verantwortung für die Bildungsarbeit der Schulen erhalten bleibe. Der Staat müsse als wünschenswert angesehene Entwicklungen befördern und Fehlentwicklungen hemmen können.

Zu welchen Fehlentwicklungen eine Freigabe der Fächerwahl führen könne, habe sich besonders eindrucksvoll gezeigt, als in der Frühphase der reformierten Oberstufe Mathematik – ein Fach, das als „hart“ gelte – zum Teil abgewählt werden konnte. Als sich die Entwicklung des Faches Mathematik zu einem „Orchideenfach“ der Oberstufe abgezeichnet habe, sei dies sehr bald als Fehlentwicklung erkannt worden, die der Staat auf Grund seiner schulpolitischen Verantwortung zu korrigieren habe. Deshalb sei die Abwählbarkeit des Faches Mathematik aufgehoben und Mathematik wieder zum Pflichtfach erklärt worden. – In der erwähnten Argumentation war auch das Fach Ethik genannt worden, dessen Bestand, obwohl es kein Pflichtfach wie Deutsch oder Mathematik ist, durch staatliches Eingreifen gesichert wird.

Entsprechend – so argumentierte die DAV-Seite – müsse nun in bildungspolitischer Verantwortung entschieden werden, ob man im Saarland die Bildungschancen, die das Fach Altgriechisch jungen Menschen bieten kann, als bewahrenswert oder als entbehrlich betrachtet. – Im Übrigen sei es in den Augen bildungsbewusster Eltern gewiss auch ein Standortfaktor, ob ein Bundesland in der Lage sei, ein vollständiges Bildungsangebot für die heranwachsende Generation bereitzuhalten oder nicht.

5. c) Erstrebte Synergie von Altgriechisch und Französisch

Unter den Schulfremdsprachen hat im Saarland Französisch mit Recht einen besonderen Rang. Auch die DAV-Vertreter betrachten Französisch als sehr wichtige Sprache neben Latein und Englisch. Da in den „normalen“ fremdsprachlichen Gymnasialzügen aber nur für drei Hauptfach-Fremdsprachen Platz ist, plädierten die DAV-Vertreter für ein viersprachiges Bildungsangebot, in dem Platz für Altgriechisch ist, ohne dass Französisch verdrängt wird: Ein Modell dieser Art werde in Baden-Württemberg – unter dem Namen „Europäisches Gymnasium“ – bereits seit 2003 praktiziert; selbstverständlich müsse man es gegebenenfalls an die saarländischen Verhältnisse anpassen.

Stand: 16.7.2016                                                                              

Christiane Siewert, Helmut Meißner