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Griechisch im Saarland: Gespräch mit der SPD im Landtag

Landtag-Saarland-Griechisch-2015

Wir sprachen mit der stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Frau Gisela Kolb, und dem wissenschaftlichen Mitarbeiter der Fraktion,Herrn Jens Gräser, am Dienstag, dem 8. Dezember 2015, 16 Uhr.

Ziele

Der Griechisch-Ausschuss des DAV hat unter dem Vorsitz von Dr. Helmut Meißner aus Baden-Württemberg die Aufgabe übernommen, sich für den Erhalt des Faches Griechisch in allen Bundesländern einzusetzen.

Seine Idee war es, mit Abgeordneten der verschiedenen in den Landtagen vertretenen Parteien ins Gespräch zu kommen. Das führte jetzt auch zum dritten Gedanken-austausch: Nach Absprache kamen Herr Meißner als Vorsitzender des Griechisch-Ausschusses, Frau Siewert als 1. Vorsitzende des DAV Saar und Frau Catrein-Träm als Griechischlehrerin und Fachleiterin Latein mit den genannten Vertretern der SPD-Fraktion zusammen.

Herr Meißner stellte zunächst das Anliegen des Griechisch-Ausschusses dar und machte deutlich, dass es den Vertretern der Alten Sprachen vor allem um Offenheit für die gegenseitig vorgetragenen Argumente gehe und dass ihnen an einer ersten Verständigung über das gelegen sei, was jetzt sinnvoll und möglich erscheine, um zu verhindern, dass der Altgriechisch-Unterricht im Saarland unwiederbringlich verloren gehe. Soeben sei am letzten verbliebenen „humanistischen“ Gymnasium des Saarlands – dem Saarlouiser Gymnasium am Stadtgarten – Altgriechisch von einem regulären Schulfach zu einem AG-Fach herabgestuft worden.

Altgriechisch als Faktor des frühneuzeitlichen Kulturwandels

Herr Meißner ging zunächst auf die Frage ein, wie der tiefgreifende Kulturwandel, der zwischen Mittelalter und Neuzeit geschehen ist, von der im 15. Jahrhundert einsetzenden Beschäftigung mit altgriechischen Schriften befördert wurde. Besonders lenkte er die Aufmerksamkeit darauf, dass in den sokratischen Dialogen Platons, die man damals wieder zu lesen begann, wohl zum ersten Mal in der Geschichte systematisch eine verständigungsorientierte Austragung von Konflikten vorexerziert worden ist.

Herr Meißner betonte, dass die allseits bekannte Art des Streitens, die in Hass und Gewalt endet, bei den alten Griechen sehr verbreitet war und dass Sokrates mit seinen verständigungsorientierten Dialogen sozusagen gegen den Strom schwamm.

Frau Kolb nahm diese Darlegungen mit sichtlich großem Interesse auf – und so entwickelte sich ein lebhafter, ergiebiger Gedankenaustausch.

Die Gesprächsteilnehmer waren sich zwar einig, dass es für Leser dieser Dialoge keinen Zwang gibt, den dort praktizierten verständigungsorientierten Umgang mit Konflikten sich zu eigen zu machen, nicht einmal bei jahrelanger Beschäftigung mit diesen Dialogen. Andererseits schien doch plausibel, dass von dieser sokratischen Art der Konfliktbewältigung eine gewisse Beispielwirkung ausgehen kann, wenn auch in unterschiedlicher Stärke je nach den unterschiedlichen Voraussetzungen der Leser. – Die anderen Aspekte des sogenannten‚Zivilisierungspotentials der Beschäftigung mit Altgriechisch‘ kamen aus Zeitgründen nicht mehr zur Sprache.

Wunsch: Altgriechisch an mindestens zwei Schulen des Saarlands

Was die Wünsche für die Zukunft des Altgriechischunterrichts im Saarland angeht, so übergingen die DAV-Vertreter die Frage des langfristig Wünschbaren. Sie konzentrierten sich sogleich auf die Frage des kurzfristig Realisierbaren.

An zwei Schulen des Saarlands gibt es, wie Frau Catrein-Träm darlegte, noch Lehrer mit Altgriechisch-Fakultas und Praxiserfahrung im Altgriechischunterricht: am Saarlouiser Gymnasium am Stadtgarten und am Ludwigsgymnasium Saarbrücken. Somit stehen an beiden Gymnasien noch Lehrer bereit, die sofort regulären Altgriechisch-unterricht erteilen könnten. Woran es anscheinend bisher noch fehlt, ist der bildungs-politische Wille, die Arbeitsmöglichkeiten des Altgriechischunterrichts zumindest in der sparsamen Begrenzung auf zwei Schulen aufrechtzuerhalten.

Kosten und Nutzen

Zur Frage, ob die damit verbundenen (wenn auch überschaubaren) Kosten gegenüber dem Steuerzahler verantwortbar seien, wurde von altphilologischer Seite zu bedenken gegeben: Zwar lasse sich die Höhe der volkswirtschaftlichen Rendite aus Erziehungs-arbeit naturgemäß nicht genau beziffern. Aber es sei doch damit zu rechnen, dass für die Gesellschaft auch „etwas“ zurückkomme, wenn sie in die Beschäftigung junger Menschen mit altgriechischer Literatur investiere. Dagegen wurden keine Einwände erhoben.  

Nur gestreift wurde die Integrationsaufgabe der Schulen: Frau Siewert erwähnte, dass namentlich in Berlin-Neukölln seit Jahren von bemerkenswerten Beiträgen des alt-sprachlichen Unterrichts zur Integration von Kindern aus nicht-einheimischen Familien berichtet werde (Ernst-Abbe-Gymnasium).

Viersprachige Gymnasialzüge: Französisch als Synergie-Partner

Unter den Schulfremdsprachen hat im Saarland Französisch mit Recht einen besonderen Rang. Auch die DAV-Vertreter betrachten Französisch als sehr wichtige Sprache neben Latein und Englisch. Da in den „normalen“ fremdsprachlichen Gymnasialzügen aber nur für drei Hauptfach-Fremdsprachen Platz ist, stellten die DAV-Vertreter ein bereits praktiziertes viersprachiges Bildungsangebot vor, in dem Platz für Altgriechisch ist, ohne dass Französisch verdrängt wird: Dieses Modell hat sich in Baden-Württemberg unter dem Namen "Europäisches Gymnasium" bereits seit 2003 bewährt.

Bei diesem Bildungsangebot werden zunächst Latein und Englisch gelernt. Dann kommt in Klasse 8 die dritte Fremdsprache, meist Altgriechisch, hinzu. Als vierte Fremdsprache folgt dann in Klasse 10 Französisch. In Klasse 10 können die Schüler eine der ersten beiden Fremdsprachen ablegen; es ist aber auch möglich, alle vier Sprachen bis zum Abitur beizubehalten.

Herr Meißner unterstrich, dass dieses Modell selbstverständlich an die saarländischen Verhältnisse angepasst werden müsse.

Die Bezeichnung „Europäisches Gymnasium“ bringe zum Ausdruck, dass dieses Bildungsangebot, neben modernen europäischen Sprachen, auch die beiden alten Sprachen Latein und Griechisch umfasse, die den Zugang zu den kulturellen Grundlagen gemeinsamer europäischer Identität erschließen.

Frau Kolb erbat genauere Informationen über dieses Bildungsangebot. Herr Meißner versprach, sich darum zu kümmern.

Korrekturbedarf: Fachaufsicht ohne Fachkompetenz

Nicht alles, was zur Ermöglichung eines erfolgreichen Altgriechischunterrichts nötig ist, kostet zusätzliche Gelder. Im Kultusministerium gibt es schon seit vielen Jahren niemanden mit FakultasLatein/Griechisch, der insbesondere für das Hauptfach Latein die Fachaufsicht ausübt. Fachaufsicht braucht Fachkompetenz. Die DAV-Vertreter betonten, dass, wer Latein und Griechisch studiert hat, meist noch in mindestens einem weiteren Fach examiniert ist. Das heißt, die Bitte um fachkompetente Fachaufsicht für Griechisch und Latein erfordert nicht zwingend die Einstellung eines weiteren Beamten; denn es wäre ja möglich, dass ein einziger Beamter die Fachaufsicht für ein weiteres Fach neben Griechisch und Latein führt.

Die Bitte, für eine Fachaufsicht zu sorgen, die auch in Griechisch und Latein Fach-kompetenz besitzt, ist den Altphilologen ein großes Anliegen. Dafür zeigte Frau Kolb Verständnis.

Am Schluss ermutigte Frau Kolb die DAV-Vertreter, das Gespräch mit Kultusminister Commerçon zu suchen. Sie will, wie sie andeutete, im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch selbst dazu beitragen, dass künftig Schüler des Saarlands, die Altgriechisch lernen wollen, zumindest an den beiden genannten Gymnasien eine vollwertige Chance hierfür erhalten.

Dank

Wir danken Frau Kolb und Herrn Gräser sehr für die Offenheit, mit der sie uns angehört haben und auf unsere Sorgen eingegangen sind, und ganz besonders dafür, dass sie dem Schulfach Altgriechisch helfen wollen.

Ein besonderer Dank geht vom DAV Saar an Herrn Dr. Meißner, der sich nicht zum ersten – und auf keinen Fall zum letzten Mal – für unsere Belange im Saarland eingesetzt hat!

Christiane Siewert